Als Kind und Jugendlicher habe ich unglaublich viel Geld für irgendwelche Dinge ausgegeben. Am liebsten hätte ich alles gesammelt und gehortet, was ich als schön empfand. Zur Kommunion bekam ich meine erste Konsole. Ein Nintendo Entertainment System.
Fortan drehte sich alles bei mir um Videospiele. Um auf dem neusten Stand zu bleiben, investierte ich einen Großteil meines Taschengeldes in Magazine zu diesem Thema. Im Laufe der Zeit hatte ich eine beachtliche Sammlung an Zeitschriften angelegt, in denen ich immer wieder schmökerte. Irgendwann kannte ich so gut wie jedes Spiel, das für irgendeine Konsole auf den Markt gekommen war. Im Nachgang möchte ich gar nicht wissen, wie viele tausend Euro ich damals investiert habe. Gut zehn Jahre später entsorgten wir vier Umzugskartons gefüllt mit Zeitschriften auf dem Müll. Ich hatte das Interesse an Videospielen verloren.
Macht Konsum uns glücklich?
Nach dem Abitur begann ich meinen Zivildienst. In dieser Zeit wohnte ich noch daheim bei meinen Eltern und hatte eine kleine Anliegerwohnung bei uns im Haus. Zwar ohne Küche, aber immerhin mit Bad, Dusche und separatem Eingang zum Treppenhaus. Von meinem Ersparten holte ich mir in dieser Zeit mein erstes Auto. Es war ein Opel Corsa Baujahr 1991. Der Wagen kostete mich 700 Euro und ich liebte ihn. Benötigt hätte ich ihn allerdings nicht. Mit dem Fahrrad brauchte ich keine 10 Minuten zu meiner Diensstelle und auf dem Land wohnten wir ebenfalls nicht. Bis in die Innenstadt von Köln dauerte es damals nur 25 Minuten mit der Straßenbahn, die vor unserem Haus abfuhr. Aber dennoch ist das erste Auto irgendwo etwas besonderes. Den Wagen besitze ich schon seit vielen Jahren nicht mehr. Einen zweiten gab es bisher nicht in meinem Leben. Ich merkte einfach, dass ich keinen brauche.
An mein genaues Gehalt von damals erinnere ich mich nicht mehr genau. Es dürften aber wohl so 4-500 Euro im Monat gewesen sein. Für jemanden der daheim wohnt ist das viel Geld. Einen Teil davon sparte ich, aber einen Großteil gab ich auch für Konsumgüter aus. Damals war ich ein großer Filmfreund und fing an Filme auf DVD zu sammeln. Dabei war es egal, ob ich den Film wirklich mochte, oder nicht. Es ging mir um die Leidenschaft Dinge zu sammeln. Im Vergleich zu anderen Leuten war ich wahrscheinlich noch nicht einmal extrem. Am Ende dürfte ich um die 150 DVDs besessen haben.
Während meines Studiums zog ich in eine kleine WG. Das Zimmer war 15m² groß und kostete 350 Euro warm. Damals war das ein fairer Preis, mittlerweile dürfte das in Köln ein absolutes Schnäppchen sein. In dieser WG wohnte ich ungefähr 7 Jahre. Ich beendete mein Studium und begann meinen ersten Job. Als Berufseinsteiger verdiente ich nicht viel, aber durch mein Studium war ich natürlich deutlich weniger gewohnt und recht genügsam. In Kombination mit der geringen Miete blieb am Ende des Monats einiges an Geld übrig. Einen Teil davon sparte ich, aber einen Großteil investierte ich vor allem in Klamotten. Teilweise 150-250 Euro im Monat. Für einen kurzen Moment machte es mich glücklich, wenn ich ein cooles T-Shirt, oder die neusten Sneakers in den Händen hielt. Ich fühlte mich attraktiver und selbstsicherer. Aber war ich das auch?
Ich habe eher das Gefühl, dass ich eine gewisse Leere in mir damit überbrücken wollte. Wirklich glücklich und selbstbewusst war ich zu dieser Zeit nämlich keinesfalls. Ich haderte damals viel mit mir selbst und meinen On-Off-Beziehungen. Deshalb hielt das erkaufte Glück auch nur wenige Stunden, oder Tage an.
Weniger Besitz kann befreiend sein
Irgendwann war die Zeit in der WG zu Ende. Die Wohnung war nicht besonders schön gewesen und wir merkten, dass wir alle eine Veränderung brauchten. Also bezog ich eine 59m² Wohnung, die ich mir endlich nach den eigenen Vorstellungen einrichten konnte. Bei meinem Umzug halfen mir viele meiner Freunde, so wie wir uns immer gegenseitig helfen. Als ich die ganzen Kisten sah, die aus meinem Zimmer und dem gemeinsamen Keller in dem gemieteten Lieferwagen verschwanden, wurde mir klar, dass ich im Laufe der Zeit viele unnötige Dinge angesammelt hatte.
Wenige Wochen nach meinem Einzug beschloss ich, meinen Keller auszumisten und alles loszuwerden, was ich nicht mehr benötigte. So gut es ging verkaufte ich alle meine DVDs, BluRays, nicht mehr benötigte Bücher und einen Großteil meiner Klamotten. Noch ist dieser Prozess nicht abgeschlossen und ich werde bestimmt noch einige Male auf den ein, oder anderen Flohmarkt fahren müssen. Aber ich fühle mich bereits deutlich freier. Zudem merkte ich, dass ich eigentlich gar nicht so viel Platz benötige. Zumeist halte ich mich ohnehin nur in meiner Küche und meinem Wohnzimmer auf. Mit einem Zimmer weniger wäre ich mit Sicherheit auch ausgekommen.
Oftmals nutzen wir den vorhandenen Raum doch ohnehin nur dafür, Dinge zu lagern, die wir im Laufe der letzten Jahre angesammelt haben. Hätten wir diese Dinge nicht, dann kämen wir oftmals auch mit deutlich weniger Platz aus. Es gibt immerhin genug Möglichkeiten um Platz effektiver zu nutzen. Der Berliner Architekt Van Vo Le-Mentzel hat dies mit seinem 100 Euro Haus sehr eindrucksvoll bewiesen. Ein Konzept, das in Großstädten der Gentrifizierung entgegenwirken könnte.
In den letzten Jahren habe ich gelernt, dass Geld die Sorgen reduziert, aber nicht glücklich macht. Das mag banal klingen, aber ich habe das Gefühl, dass sich nicht alle dieser Tatsache bewusst sind. Mittlerweile hinterfrage ich jede Anschaffung, die ich tätige. Ich gehe nur noch selten einkaufen. Ich brauche nicht das neuste Notebook, oder das beste Telefon. Benötige ich wirklich 10 neue T-Shirts im Jahr, oder kaufe ich mir lieber 1-2 und achte dabei lieber auf Nachhaltigkeit und eine weitaus bessere Qualität?
Zu meinem Geburtstag werde ich immer wieder gefragt, was ich mir denn wünschen würde. In den letzten Jahren ist die Antwort immer gleich. Ich brauche nichts. Wenn mir jemand etwas schenken möchte, dann soll er mir Quality Time schenken. Schenkt mir Zeit mit euch und schöne Erinnerungen, sage ich meiner Familie. Es ist nett, wenn ich ein interessantes Buch bekomme, aber wichtiger ist mir, dass wir an diesem Tag Zeit miteinander verbringen und Spaß haben.
Zeit ist mehr wert als Geld
Vor einigen Wochen besuchte ich einen guten Freund von mir, der als Wirtschaftsprüfer tätig ist. Er erzählte mir, dass er aufgrund zahlreicher Projekte aktuell sehr viele Überstunden absolviert und teilweise erst um 22 Uhr aus dem Büro kommt. Für seinen Chef scheint das allerdings nicht genug zu sein. Dieser sagte ihm nämlich, dass er für einen Aufstieg im Unternehmen noch deutlich mehr Arbeitszeit investieren müsse.
Warum sollte er sich darauf einlassen? Ich würde behaupten, dass mein Freund bereits jetzt genug verdient und sich keine finanziellen Sorgen machen muss. Welchen Nutzen hätte er davon, noch länger zu arbeiten und vielleicht sogar am Wochenende erreichbar zu sein? Wie sollte er das zusätzliche Gehalt überhaupt ausgeben? Wie wird seine Beziehung darunter leiden, wenn er seine Freundin kaum noch zu Gesicht bekommt? Was wird sein, wenn beide beschließen Kinder in die Welt zu setzen. Wird er dann jemals eine Beziehung zu seinen Kindern aufbauen können?
In meinem ersten Job in einer Werbeagentur sagte mein Chef einmal den Satz: „Karriere wird ab 18 Uhr gemacht“. Lässt diese Aussage darauf schließen, dass die Qualität meiner Arbeit im Vergleich zur Quantität meiner Arbeit weniger wichtig ist? Was genau läuft in unserer Gesellschaft eigentlich schief?
Was passiert mit all den Dingen, die wir uns kaufen und die wir dann irgendwann in den Keller verbannen, weil wir sie nicht mehr täglich benötigen. Was passiert mit unseren 40 Paar Schuhen, den 20 Hemden, den 10 Hosen und den 50 T-Shirts in unserem Schrank, wenn wir irgendwann nicht mehr da sind.
„Das letzte Hemd hat keine Taschen“. Diesen Satz habe ich mehr als einmal von meinen Großeltern gehört. Und sie haben Recht. Was machen wir mit all diesen Dingen, wenn wir nicht mehr da sind. Werde ich mich wirklich an mein schickes Auto erinnern, wenn ich auf dem Sterbebett liege? Oder werde ich nicht viel eher an jene Menschen denken, die mir wirklich etwas bedeuten und die ich zurücklassen muss.
Wirklich glücklich können wir nur dann sein, wenn wir auf unsere inneren Wünsche hören und diese nicht mit Konsum überdecken. Das neuste T-Shirt mag uns vielleicht für wenige Stunden davon ablenken, aber glücklich wird es uns nicht machen. Weniger macht uns oftmals glücklicher, weil wir uns dann auf das Wesentliche im Leben konzentrieren und unsere Umwelt und die Menschen darin anders wahrnehmen können. Genau davon handelt der Minimalismus Lebensstil. Den ich euch hiermit ans Herz legen möchte.